CARLs Garten – Zechengarten reloaded

Als die Stadt Essen zum Jahr der Grünen Hauptstadt Europas 2017 verschiedene Institutionen der Stadt nach Projektideen fragte, lag für das soziokulturelle Zentrum Zeche Carl (Träger ist die Auf Carl gGmbH) der Gedanke der Errichtung eines Gemeinschaftsgartens auf dem Gelände nahe. Die Gründe dazu sind vielfältig. Zum einen steht die Idee des Gartens in engen Zusammenhang mit der industriellen Geschichte der Zeche Carl. Auf die Bedeutung der Zechen für den industriellen und wirtschaftlichen Aufschwung ab 1860, die Entwicklung der Städte und der Stadtgesellschaften sei hier hingewiesen, aber nicht näher ausgeführt. Für die Bergleute war „ihre“ Zeche der Lebensmittelpunkt und wirkte tief in das Leben der Familien ein. Der eigene Garten war in den Bergmannssiedlungen nicht Naherholungsort sondern wirtschaftliches Gut: Denn hier erwirtschafteten sie eigenständig und -verantwortlich einen wesentlichen Teil ihres Lebensbedarfs.

Heute hat ein Gemeinschaftsgarten auf einem ehemaligen Zechengelände sicherlich eine andere Bedeutung. Die Zeche Carl wird seit den 1970er Jahren nicht mehr zu industriellen Zwecken genutzt. Ein Großteil der ehemaligen Gebäude und Anlagen existiert nicht mehr. Die Bodenqualität ist stark beeinträchtigt und doch hat sich die Natur über die Jahre das brachliegende Gelände zurückerobert. Mit wenigen bis gar keinen Eingriffen (außer Wegeführung, Rodung oder Pflege weniger Geländeteile aufgrund der Nutzung der noch bestehenden Gebäude) in diese Industrielandschaft hat sich über die Jahre wieder eine biologische Vielfalt entwickelt, die das gesamte Gelände zu einer grünen Oase im Stadtteil hat werden lassen.

Die ökologische Idee des Gemeinschaftsgartens liegt vor allen Dingen darin begründet, auf dem Gesamtgelände einen - verhältnismäßig kleinen – Ort zu schaffen, an dem diese biologische Vielfalt erweitert werden kann – dies gilt sowohl für Tiere wie Pflanzen. Klar war, dass wir dafür andere Gartenformen finden mussten, da die Bodenqualität eine Nutzung für den Anbau von Obst und Gemüse unmöglich machte. So entstand die Idee von Hochbeeten, die eine flexible Nutzung zulassen. Und so ist letztendlich ein Stück gestaltete Natur auf einem viel größeren, ungestalteten Stück Landschaft entstanden.

Als soziokulturelles Zentrum in einem Stadtteil mit besonderem Entwicklungsbedarf ist die Idee des Gemeinschaftsgartens aber noch viel mehr. Wir wollten mit CARLs Garten einen Ort schaffen, an dem sich Menschen aus dem Stadtteil begegnen können, in einem Klima der Offenheit und Neugier gemeinsam etwas erschaffen können. Teilhabe, Partizipation sind wesentliche Ziele unserer soziokulturellen Arbeit. Der Gedanke, ein niedrigschwelliges Angebot für Menschen jeden Alters und jeder Nationalität machen zu können, um das Miteinander zu stärken, hat uns bei den Projektüberlegungen motiviert.

Daraus ist noch viel mehr geworden: Die Gärtner:innen bleiben nicht nur unter sich. Sie vernetzen sich mit anderen Gemeinschaftsgärten und Aktionen, erweitern ihr Wissen und ihre Kenntnisse, sie beschäftigen sich mit gesellschaftlich relevanten Themen. Darüber hinaus lassen sie andere daran teilhaben. Sie öffnet sich CARLs Garten regelmäßig bei Veranstaltungen des soziokulturellen Zentrums und informiert Besucher:innen über den Garten und ihre Arbeit und lädt zu kleineren Mitmachaktionen ein. So wirkt CARLs Garten über den Zaun hinaus in den Stadtteil hinein.

Aber auch unabhängig von Gartentreffen oder Veranstaltungen ist CARLs Garten ein „Besuchermagnet“ auf dem Gelände. Nicht nur (Hunde)Spaziergänge schauen regelmäßig vorbei sondern auch bei Gästen und Fahrradtouristen, die sich für das Industriedenkmal Zeche Carl interessieren, ist er beliebt. Damit trägt der Garten zu einer Aufwertung des Geländes und des „Wahrzeichens“ des Stadtteils Altenessen bei und hat positiven Einfluss auf die Identität der Stadtteilbewohner:innen.

Auch inhaltlich findet sich CARLs Garten in der Arbeit des soziokulturellen Zentrums wieder. Themen wie Nachhaltigkeit, ökologisches Handeln finden Eingang in unsere Veranstaltungsplanung. Seien es Angebote der kulturellen Bildung für KiTas und Schulklassen zu Themen wie Ernährung oder Umweltverschmutzung lassen sich wunderbar mit CARLs Garten verbinden. Oder Veranstaltungsformate wie das FeineFahrradFestival, wo es um nachhaltige Lebensweisen geht.

So ist CARLs Garten in vielerlei Hinsicht ein wertvolles Projekt im, mit und für den Stadtteil Altenessen und den gesamten Essener Norden.

Essen, im Juni 2020/ Tonja Wiebracht